20. Marandi - Newsletter

 

Ãœ b e r    d i e    B e r g e    v o n    C h i a p a s

 

mal extrem heiss   -   mal extrem flach   -   mal ziemlich bergig

mal regnerisch kühl   -   mal wellig   -   mal ziemlich windig

 

Etwa so könnte man ganz kurz unsere Strecke vom Karibischen Meer bis hinüber nach Huatulco, am Pazifischen Ozean gelegen, charakterisieren. Landschaftlich kann Mexico bisher nicht ganz mit Südamerika mithalten, doch das Land ist abwechslungsreich, hat unglaublichen Charme und wartet mit vielen Erlebnissen und Bekanntschaften auf uns.

Yucatan
Tempo bolzen auf der flachen, grünen Halbinsel Yucatán

Unsere letzten Tage auf Yucatán sind schon bald gezählt ... Immer noch fahren wir täglich durch unendlich lange Geraden der Dschungelwälder der Yucatán-Halbinsel, wo wir im Norden an die Küste des Golfs von Mexico gelangen. Die Küste ist kein Vergleich zu den Sandstränden an der Karibischen See. KusteGolfMexAber die vielen Kalksteinformen, die Pelikane die knapp über der Wasserfläche dahingleiten und die Atmosphäre Meer können uns auch hier begeistern. Im Bundesstaat Campeche lichten sich die Wälder langsam und wir gelangen in Landwirtschaftszone, was schon mal eine Abwechslung ist. Campen ist auf der Halbinsel gar nicht so einfach, da links und rechts der Strasse nur Urwald vorherrscht oder die knappen Landstreifen sumpfig oder gar unter Wasser sind - so übernachten wir zwangshalber oft in Hostals. Nochmals besuchen wir unterwegs eine schöne Cenote und natürlich die grandiose Mayastadt Uxmal, über die wir bereits berichtet haben (siehe Link).

PelikaneNichts war mit dem Ende der Regenzeit ... es regnet so oft wie wir es bisher noch nie erlebt haben seit Ushuaia. Der Regen setzt hier meistens gleich nach dem Mittag ein und auch in der Nacht hat es oft ergiebige Niederschläge. Da wir unsere Etappenziele nach 80 bis 100 km meistens schon vor dem Mittagessen erreichen, entkommen wir glücklicherweise meist den teils stürmischen Regen, aber nicht immer. In Campeche erleben wir auch, zum Glück im sicheren Hostal, unser erstes, richtig heftiges Gewitter auf unserer Reise. In Chiapas ist aber nicht mehr die Regenzeit schuld am feuchten Wetter ... das Strumtief "Ida", das in El Salvador wie auch in Mexico erhebliche Schäden angerichtet hat, bringt das Wetter hier ziemlich durcheinander. So haben wir in den Bergen oft Regen.

Die mit den Fledermäusen tanzen! Ein weiterer Höhepunkt unserer Tage auf Yucatán ist der Besuch der Grutas de Calcehtok, wo wir unerwartet ein einzigartiges Naturschaupiel erleben dürfen. Die Höhle liegt auf BlickYucataneinem kleinen Hügel, von dem wir zum ersten Mal über die Wälder von Yucatán blicken können. Mit einem Führer steigen wir die grosse Höhle hinab, die einer der längsten von Yucatán sein soll. Zwei tiefe, horizontale Löcher im Boden, in denen am Grund Bäume und viele Pflanzen empor wachsen, zeigen unübersehbar den Eingang der Höhle. Die Grösse der Gänge, Hallen und Tropfsteine vermag sogar Andi als ehemals eifrigen Höhlenforscher begeistern. Die Höhle diente auch den Mayas als Zufluchtsort bei Kriegen. Viele Spuren und Keramikfunde zeugen von dieser Tatsache. Wir sind schon ziemlich müde vom langen Tag, so dass wir entscheiden, direkt über dem Eingang der abgelegenen Höhle zu campen. Der freundliche Höhlenführer holt uns sogar extra mit seinem Motorrad einen 20 Liter Wasserkanister vom nahe gelegenen Dorf und gibt uns den Tipp, dass wir um 17:30 Uhr direkt zum Höhleneingang gehen sollen. Das machen wir auch und tatsächlich flattern da um die angegebene Zeit hunderte von Fledermäusen aus dem Loch heraus und fliegen im riesigen Eingangsloch einige Minuten in einemGrutaCalcehtok engen Kreis herum, bis sie wieder ganz plötzlich verschwunden sind. Die ganze Nacht hören wir, wie die Fledermäuse um unser Zelt fliegen. Früh am nächsten Morgen bemerken wir ein ganz eigenartiges Geräusch ... wie wenn Geschosse an uns vorbei zischen ... wir haben keine Ahnung was es ist und wir sehen auch nichts. So wollen wir diesem Geräusch auf den Grund gehen. Beim zweiten Höhleneingang, ein riesiges Loch von ca. 30 Meter Durchmesser und Tiefe entdecken wir ein Naturspektakel der besonderen Art. „The Bats are back"! Zu Hunderttausenden, ja vielleicht sogar zu Millionen fliegen die Fledermäuse aus grosser Höhe im Sturzflug in die Höhle hinein. Wir schauen in den Himmel hoch, wo immer mehr Tiere aus dem Nichts erscheinen um gleich vor uns im Loch wieder zu verschwinden. Wir fühlen uns wie in einer anderen Welt und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nach Sonnenaufgang ist der Spuk dann plötzlich vorbei und es herrscht wieder Stille ... Zeit für uns zum Frühstücken !!!

Die letzte Etappe vor dem Bundesstaat Chiapas werden wir nicht so schnell vergessen ... Schiltkrote155 km in über 7 Stunden reiner Fahrzeit; wir retten einer Schildkröte das Leben vor dem sicheren Zerquetschungstod durch Lastwagenräder, die erste (friedliche) Strassenblockade, wo wir glücklicherweise ohne Probleme durchgelassen werden und dann eine Nacht im übelsten Hotelzimmer das wir je hatten ... Ameisen und grosse Kakerlaken rennen durch unseren feuchten Raum. Egal ist uns dies schon nicht, aber wir sind wohl viel zu müde, um irgendetwas zu unternehmen! Am nächsten Tag queren wir die Grenze zu Chiapas und nach knapp 1100 flachen Kilometern auf der Yucatán-Halbinsel erreichen wir Palenque, wo wir nochmals eine grosse imposante Mayastätte besuchen. Dort lernen wir den jungen Sportjournalisten PalenqueAndreas aus Wien kennen, der für das österreichische Fernsehen arbeitet. Irgendwie musste das sein ... In den letzten paar Monaten, durch die Begegnungen mit Johannes wie auch Harald beschäftigen wir uns etwas tiefer mit der Geschichte des 2. Weltkrieges. Andreas hat zwei Jahre in New York gearbeitet, wo er, von Österreich vertriebene jüdische Immigranten interviewte. Natürlich hatte er uns unglaublich interessante und auch tragische Geschichten zu erzählen, was uns alles brennend interessierte. Zudem war er am 11. September 2001 mitten in New York! Einen schönen Abend und den ganzen Tag in den Ruinen von Palenque verbringen wir mit Andreas.

InChiapas geht nun die Post ab!Nach einem Ruhetag in Palenque treffen wir gleich dahinter auf die langersehnten Berge - und wie !!! Von Meereshöhe geht es auf knapp 2500 m.ü.M. hoch. Die schmalen Strassen führen uns in tausenden von Kurven, ständigem auf und ab, mit knackig steilen Anstiegen und auch wieder rasanten Abfahrten durch die feuchte, zerklüftete und grüne Selva von Chiapas. Endlich hören wir auch wieder die schönen Geräusche von Bächen und Flüssen - notabene alle führen kirstallklares Wasser.

AguaAzul

Den Besuch der wunderschönen Wasserfälle von Mishol-Ha und Agua Azul lassen wir uns nicht entgehen, obwohl diese 4 km abseits und 240 Meter tiefer unten liegen. Nach langer Zeit steigt uns auch wieder einmal der sanfte Duft von Nadelbäumen in die Nase, was natürlich gleich Erinnerungen an unsere Heimat aufkommen lässt. Kurz gesagt: Es ist hier wunderschön, kurzweilig, aber saustreng. Nur langsam gewinnen wir an Höhe, da wir immer wieder in ein Tal runter fahren müssen. Die Leute hier sind freundlich und zurückhaltend, aber keines Falles würden sie uns von sich aus grüssen. Sie schauen uns vielmehr mit grossen Augen an und hinterher. Es ist wohl eher selten, dass hier Radfahrer durchkommen. Je tiefer wir in das Gebirge von SanCristobalHauserChiapas vordringen, desto häufiger hören wir auch wieder „Gringo" Rufe. Hier hält man einfach jeden Weissen erstmal für einen „Norteamericano".Erinnerungen an die Sierra von Peru kommen auf. Von den 4.2 Mio. Menschen in Chiapas sind etwa 1.25 Mio. indigen. Die meisten von ihnen stammen von Mayagruppen ab. Trotzdem, dass wir wiederum eine negative Begegnung mit Einheimischen hatten (wohl eine grosse Ausnahme), ist es eine der faszinierenden Seiten des Bundesstaates, dass diese Menschen indigener Abstammung hier leben und eine kulturelle Vielfalt schaffen. Jede der acht wichtigsten indigenen Völker von Chiapas hat seine eigene Sprache, Religion und eigene Bräuche. Viele Frauen und Kinder in ihren traditionellen, farbigen Kleidern stehen hier entlang des Weges und verkaufen ihre Früchte - auf ihre Art: Dabei spannen sie Seile über die Strassen und halten SanCristobal2so den ganzen Verkehr an um ihre Produkte besser anpreisen zu können - auf den engen Strassen eine nicht ganz ungefährliche Sache. Nach vier harten Bergetappen erreichen wir die schöne Kolonialstadt San Cristobal de las Casas (2150 m.ü.M.), wo wir zwei Tage bleiben und uns erholen. In San Cristobal trifft man nicht auf die mächtigen, protzigen Kolonialbauten. Das fröhliche Städtchen lebt viel mehr von den vielen farbigen Gassen. Die Häuser sind bunt, es hat einen grossen Gemüsemarkt, zwei Fussgängerzonen und man kann sich in einem der vielen Restaurants und Cafés gut verweilen. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass viele Kinder und sogar Kleinkinder bis spät abends in den Restaurants Artesanias an die Touristen verkaufen müssen. Eine selbstverständlich akzeptierte, weitverbreitete Form der Kinderarbeit hier. Und anscheinend scheint die Mitleidsmasche auch einträglich zu sein. Eine Schande!

Hilfsaktion "Nueva Florida"! In horrendem KrokodilTempo sausen wir auf enger, kurvenreicher Strasse und durch Kiefernwälder über 2000 Höhenmeter hinunter und lassen San Cristobal schnell hinter uns. In der Tasche haben wir einen kleinen, aber wichtigen Wunsch, den wir für eine Kollegin von uns gerne erfüllen möchten. Zuvor besuchen wir vor Tuxtla Gutierrez noch den Cañón del Sumidero, der uns wie ein gewaltiger Spalt in der Erde vorkommt. In einem Boot fahren wir auf dem gestauten Fluss rund 20 km durch die 400 Meter tiefe Schlucht und sehen u.a. zum ersten Mal wilde Krokodile aus nächster Nähe - imposant. Einen Tag später erreichen wir das Städtchen Jiquipilas, wo NuevaFlorida1wir uns auf die Suche nach dem abgelegenen Weiler "Nueva Florida" machen, wo wir einer hilfsbedürftigen Familie "Unterstützung" in Form von Naturalien oder Geld überbringen möchten. In diesem ärmlichen Örtchen, das nur aus ein paar Häusern besteht, haben unsere Kollegen Monika und Heinz vor 13 Jahren bei einer Familie einige Wochen gelebt und Entwicklungsarbeit geleistet. Sie planten und bauten einen Wasserbrunnen und eine Laterine. Überraschend kam die Krankenschwester Monika dazumal auch als Hebamme zum Einsatz ... heute sind sie Paten von Ricardo. Nach vielem Fragen und langem Suchen finden wir mit unseren nicht bepackten Rädern auf abgelegenen Wegen endlich zum 16 km entfernten Ort und sogleich auch die Familie. In der Tat leben hier die Menschen sehr, NuevaFlorida2sehr einfach, nur mit dem Nötigsten. Hierher haben sich wohl erst ganz wenige Weisse verirrt, denn die Leute wissen gleich, dass wir "Amigos de Monica y Heinz" sind und so erfahren wir eine herzliche Begrüssung. In den wenigen Stunden, die wir mit den Familien verbringen, erfahren wir so vieles über diese äusserst herzlichen Leute und deren Leben. Es ist ein einfache, hartes aber doch zufriedenes Leben das sie hier führen, obwohl die Frauen es hier nicht leicht haben. Viele Männer verschwinden plötzlich und überlassen Frau und Kinder dem Schicklsal oder sie sind dem Alkohol verfallen. Zufrieden über das positive Erlebnis und die erfolgreiche Aktion machen wir uns wieder auf den Weg Richtung "Oceano pacifico" ...

Wir treffen einen gut bekannten "Freund"! Wir verlassen den Bundesstaat Chiapas und erreichen wieder flache Strecken auf Meereshöhe. WindraderWas sich schon in den letzten zwei Tagen langsam bemerkbar machte und angekündigt hat trifft nun ein ... ein Wiedersehen mit unserem Freund. Freund? Das ist wohl zu viel gesagt. Jedenfalls kennen wir ihn ganz gut aus Patagonien ... "El viento" heisst er und er trifft uns seitlich mit voller Wucht, dass es uns fast wieder aus den Sätteln haut. Wir haben die schmale Stelle erreicht, wo Pazifik und Atlantik nur gerade 215 km auseinander liegen. Und genau hier pfeift der Wind in Orkanstärke durch ... Hunderte von Windräder stehen ja schliesslich nicht vergebens hier. Geografisch gesehen fahren wir nun auch in Nordamerika ein.

Panorama1-Huatulco_PalmenEin wenig Heimat in Mexico! In tropisch schwüler Hitze fahren wir unserem grossen Ziel Huatulco und somit auch Fritz & Guadalupe Burri und seiner Familie entgegen. Fritz stammt ursprünglich aus Malters, der Luzerner Gemeinde in der auch wir einmal gewohnt FritzBurriund gearbeitet haben. Es ist für uns ein bedeutungsvolles Ziel, denn es ist sozusagen Halbzeit unserer Reise und es ist der einzige Kontakt, den wir schon vor der Reise geknüpft haben. Doch die letzten 150 km entlang der Küste sind nochmals sehr streng ... das ständige Auf und Ab bei fast 40° C will einfach nicht mehr aufhören und lässt uns manchmal fast verzweifeln. Aber für diese Mühen werden wir umso mehr entschädigt ... Just am Geburtstag von Fritz erreichen wir nach über 1900 kmin knapp einem Monat das "amerikanische" Ferienmekka Huatulco mit seinen unzähligen, wunderschönen Sandstränden und es erwartet uns hier eine Mexikanische Gastfreundschaft der besonderen Art. Vor bald zehn Jahren ist Fritz Burri mit seiner Fabiolamexikanischen Frau Guadelupe nach Huatulco ausgewandert. Als ehemaliger Manager einer grösseren Firma arbeitet Fritz hier als Englisch-, Französisch- und Deutschlehrer an einer Privatschule und Guadelupe führt ein Massage- und Pedicuregeschäft. Gleich am ersten Abend gehts mit der ganzen Famillie und Freunden in ein österreichisches Lokal zum Geburtstagsessen von Fritz. Trotz dem hervorragenden mexikanischenn Essen geniessen wir unser Wiener Schnitzel mit Spätzle in vollen Zügen (hier ein Gruss an Johannes). Wir lernen wieder viele liebe Leute kennen und alle wollen etwas über unsere Reise erfahren. Wir machen Bekanntschaft mit dem amerikanische Ehepaar Dan und Sonia, die uns gleich für den nächsten Tag zur Geburtstagsparty von Sonia einladen. Spät in der Nacht spielen und singen uns Fritz' Tochter SchuleFabiola und ihr Mann Chelo einige selbst komponierte mexikanische Lieder. Es ist einfach sensationell hier ... bei uns kommt so richtig Ferienstimmung auf. Wir geniessen es ... hier bleiben wir eine Weile und lassen an den Stränden ein wenig die Seele baumeln. Eindrücklich ist für uns auch der Besuch in der Schule, an der Fritz arbeitet. Jeden Montag Morgen wird mit allen Schülern einen Fahnenehrung zelebriert und alle singen die mexikanische Nationalhymne. Das Grüppchen der Fahnenträger bildet sich immer aus den jeweils Klassenbesten. Das Ganze ist eher gewöhnungsbedürftig für uns und man könnte fast meinen, es geht hier militärisch zu und her, aber dem ist nicht so. Es ist ein stolzer Brauch mit revolutionären Wurzeln und wir erleben die Atmosphäre an der Schule äusserst herzlich.

Es wird für uns wohl ganz schwierig werden, von hier wieder wegzukommen ... wir lassen alles mal auf uns zukommen, auch den unbekannten Ort, wo wir Weihnachten und Neujahr verbringen werden ... vamos a ver !

Muchos saludos y feliz navidad

Andi y Marion