NL17-01

Flag_of_PeruPeru! Wieder radeln wir durch ein unglaublich grosses, fantastisches Land. Peru ist flächenmässig 31x grösser, hat aber mit 28 Millionen nur 4x mehr Einwohner als die Schweiz. Peru liegt in drei unterschiedlichen Klimazonen ... 1. die Küstenzone, die wir meiden wollen, weil sie viel Wüste hat und es sehr heiss „da unten" ist. 2. die Selva (der grösste Teil Perus), die weit ab von unserer Route liegt und das tropische Klima uns nicht behagt. Und dann noch 3. die Sierra - die Anden und das Hochland. Wir haben uns für diese Klimaregion entschieden, da sie sicherlich abwechslungsreich, schön und temperaturmässig nicht so heiss ist (dachten wir jedenfalls!!!)...

Profil Cusco-Lima

Adios Cusco

„Bien descansado" lassen wir das schöne Cusco hinter uns. Zuvor aber müssen wir uns noch etwas auf die kommende Strecke vorbereiten. Beim Studium des Längenprofiles (Höhenprofil), wird uns aber Angst und Bang ... !!! So was haben wir doch noch nie gesehen ... nicht mal unsere beiden Alpenüberquerungen von Deutschland an den Gardasee in Italien hatten solch lange Anstiege und wir erinnern uns an all die Radler, die wir vor und in Cusco angetroffen und die uns von dieser Strecke erzählt haben ... „Das wird hart" ... „Ihr werdet leiden" ... usw. ...

Ja tatsächlich - wir haben gelitten. Es war der bisher härteste und strengste Abschnitt unserer Reise. Meistens auf Schotter steigen die Strassen mehrmals auf über 4000 m.ü.M. an um danach gleich wieder in einem Downhill auf 2000 m.ü.M. runter zu fallen ... und dies gleich einige Mal hintereinander. Zwei Wochen lang fahren wir nur bergauf und bergab ... ohne ein flaches Stück dazwischen. Hat uns am Paso Jama noch die Kälte zu schaffen gemacht, so ist es nun diese fast unerträgliche Hitze. Vielfach kämpfen wir uns bei ca. 40°C stundenlang den Berg hoch. Wir trinken eine Wasserflasche nach der anderen leer. Auch auf 3000 m.ü.M. ist es am Morgen um 7:30 Uhr bereits 25°C warm. Sonnencreme mit Faktor 60 ist Pflicht. Auf den 1200 km bis nach Lima haben wir über 16'300 Höhenmeter überwunden.

 

1. Cusco - Ayacucho

NL17-03Die ersten 600 km der Strecke bis nach Ayacucho sind geprägt durch viele Pässe mit ihren steilen Auf- und Abfahrten. Für jeden Berg brauchen wir zwei, ja sogar einmal drei Tage. Auf der anderen Seite sausen wir dann in 2 Stunden ins Tal hinunter um gleich wieder erneut zwei Tage lang den Berg hochzufahren. Hier sind nur noch Tagesetappen von 40 bis 60 km möglich. Teilweise sind es ganz miese Schotterstrassen mit viel Sand. Dadurch werden wir von den vorbeifahrenden Autos, grossen Lastwagen und Sattelschleppern völlig NL17-04eingestaubt. Der feine Staub bleibt mit Sonnencreme eingeriebenen und schweissnassen Haut bestens kleben und dringt in alle erdenklichen Orte an unseren Körpern !!! Es wird alles von uns abverlangt und wir benötigen auch fast den gesamten Umfang unseres Materials. Durch den hohen Wasserverbrauch und weil NL17-10wir zum Glück oft zelten können, schleppen wir teilweise zusätzlich 14 Liter Wasser den Berg hoch. Wir filtern auch Wasser aus Tümpeln und behandeln es mit Micropur. Einige Male geraten wir in Regen und Gewitter. In den tieferen Lagen (2200 m.ü.M.) kämpfen wir gegen diese kleinen Beissfliegen. Repelente (Mückenschutz) ist in grossen Mengen gefragt und trotzdem stechen sie uns die Beine und Arme voll. Unsere Kampfwaffe, der Bambusstock, wie auch Steine kommen sehr oft gegen aggressive Hunde zum Einsatz, auch wenn bisher nur als Drohung. Aber der Stock wirkt sehr gut gegen all jene Biester, die immer wieder „zähnefletschend" hinter uns her rennen oder gefährlich direkt vors Rad laufen. Kein Vergleich zu den friedlichen Hunden in Argentinien und Bolivien.

Es ist faszinierend durch diese extrem bergige Landschaft zu fahren. Landwirtschaft ist NL17-06hier vorherrschend. Fast jeder Quadratmeter ist bewirtschaftet. Die vielen Kartoffelfelder in unterschiedlichsten Farbtönen bieten ein herrliches Bild. Auch auf 4000 Metern oben bearbeiten die Bauern noch in den steilsten Berghängen ihre Felder, natürlich alles von Hand. Wir zollen diesen Leuten den grössten Respekt für diese harte Arbeit. An vielen Orten steigt uns auch immer wieder der starke, aber feine Geruch von Eukalytus in die Nases. Obwohl Peru nur 22 Einwohner pro Quadratkilometer aufweist, kommt es uns vor, als ob überall, auch in den abgelegensten Regionen, noch viele Leute wohnen. Deshalb ist es nicht immer einfach, gute Zeltplätze zu finden, ohne entdeckt zu werden. Vielfach sind wir überrascht, wenn auf 4000 m.ü.M. plötzlich wieder ein Bauer aus dem Nichts auftaucht, NL17-05obwohl weit und breit kein Haus zu sehen ist. Einige Male können wir zuoberst auf den Pässen, auf über 4100 m.ü.M. die Nacht verbringen. Hier ist es nicht heiss, aber auch nicht sehr kalt und die Luft ist frisch und klar. So erleben wir diese eindrückliche, teils mystische Landschaft besonders intensiv und geniessen die Ruhe. Oft erblicken wir weit weg, über den 4000er Gipfeln, grosse Gewitterherde, die durch ihre Blitze die Nacht erleuchten lassen - ein herrliches Naturschauspiel. Zum Glück ziehen diese Gewitter immer an uns vorbei.

 

Die Patenschaft mit Haartausch
NL17-07Der Kontakt zu den Einheimischen empfinden wir viel schwieriger als in anderen Ländern. Doch ein Erlebnis werden wir nie mehr vergessen, als uns eine Señora, die gerade Tierdärme am Strassenrad wäscht, anspricht und sich erstaunlicherweise sehr interessiert für uns zeigt. Sie bietet uns gleich etwas zu essen und trinken an. Die frische, noch warme, und dNL17-08urch ein dazugemixtes Getreide zähflüssige und schleimige Kuhmilch bringen wir zwar (fast) nicht runter, doch natürlich zeigen wir der Familie wie herrlich gut sie schmeckt! Eine junge peruanische Mutter, namens Renée, setzt sich mit ihrer kleinen, niedlichen Tochter Heidi auch zu uns an den Strassenrand und wir führen ein unterhaltsames, interessantes und langes Gespräch. Renée hat grossen Gefallen an uns gefunden und sie bittet uns, doch Gotti und Götti der Kleinen zu werden. NL17-09Wir interpretieren dies als eine ganz tiefe und persönliche Geste an uns. Nun muss jeder von uns dran glauben ... wir schneiden uns gegenseitig alle ein wenig Haare ab, halten diese zusammen und übergeben sie Renée, erhalten im Gegezug aber auch alle ein kleines Büschel von Heidi Eine richtige Zeremonie ... Nach über einer Stunde verschieden wir uns wieder und werden dieses Erlebnis und diese freundschaftliche Atmosphäre an einem Strassenrad in Peru für immer in unserer Erinnerung behalten ...

2. Ayacucho - Huancayo

In Ayacucho erholen wir uns erst NL17-18einmal zwei Tage von den Strapazen und füllen unsere Proviantsäcke wieder randvoll auf. Diesmal wollen wir es wissen ... neben Pasta, Brot, Keksen usw. sind es drei Kilo Gemüse und zwei Kilo Früchte. Ayacucho ist ein schönes Städtchen. Eine eindrückliche Plaza de Armas, ein großer Triumphbogen, viele Kirchen und viele Konolialbauten machen die Stadt zu einer kleinen Schatztruhe. Im Gegensatz zu Cusco hat es hier aber fast keine Touristen. Natürlich genehmigen wir uns am Abend in einer Broasteria ein gebratenes Hühnchen mit Pommes, dazu ein kühles Bier-das haben wir uns schliesslich verdient.

Der zweite Teil unserer Strecke weist nun einen anderen Landschaftscharakter auf. So richtig hohe Berge NL17-17müssen wir nicht mehr überqueren, ausser dem 3900 m hohen Paso Imperial, kurz vor Huancayo. Ansonsten ist es ein ständiges Auf und Ab und immer noch sehr streng. Wir hören richtiggehend, wie unsere Kalorien "verbraten" werden. Essen ist auf der ganzen Strecke gefragt und wir „schaufeln" so viel wie möglich hinein. Nur ist es ja oft dasselbe. Deshalb kochen wir in den letzten Wochen etwas aufwendiger, mit viel, viel Gemüse. Und trotzdem beginnen wir schon von die Leckereien zu Hause zu träumen und erzählen uns während der Fahrt immer wieder von den feinsten Gerichten, auf die wir gerade Lust haben ... ein Cordon Bleu, Fondue, Raclette, Bratwurst mit Zwiebeln, Käsespätzle, Spargeln mit Salzkartoffeln und Sauce Hollandaise usw. ...

Die Fahrt durch die vielen Täler und NL17-11Schluchten, entlang eines Flusses ist kurzweilig und wunderschön. Zu Beginn erinnert uns die Strecke an eine Wildwest - Szenerie ... Es ist trocken und heiss, rote Erde mit vielen Kakteen säumen den Weg. So finden wir dann auch zwischen Kakteen, grossen Steinen und umgeben von schroffen, erdig-felsigen Berghängen einen schönen Zeltplatz. Einfach genial! Man könnte meinen, gleich kommt John Wayne auf seinem Pferd daher geritten. Nur die vielen Dornen am Boden machen uns etwas zu schaffen und wir müssen NL17-12sehr vorsichtig mit unseren Fahrrädern und unseren Schlafmatten umgehen. Die folgenden Tage fahren wir entlang dem wilden Rio Mantaro, in einem tief eingeschnittenen V-Tal und passieren zahlreiche, kleine, einfache Dörfchen, wo wir auch mal etwas zum Trinken kaufen können. Links und rechts säumen gewaltig hohe Berghänge den Weg. Immer wieder könnte man meinen, dass das Tal nun zu Ende sei. Doch zu unserem Staunen windet es sich mit vielen Kurven durch diese Berglandschaft. Kurz vor dem letzten Pass vor Huancayo treffen wir wieder auf Asphalt und es ist eine grosse Wohltat, wenn das Rad so leicht über diese glatte Oberfläche rollt. In rasendem NL17-13Tempo mit bis zu 72 km/h rasen wir nach dem höchsten Punkt Huancayo (3260 m.ü.M.) entgegen, wo wir mit einem Glücksgriff in einem sehr guten Hotel unterkommen. Eine Wohltat ... wir schätzen die kleinen Dinge wieder enorm, wie z.B. an einem Tisch essen zu können oder endlich auf der Toilette nicht mehr stehen zu müssen ... Überrascht. Huancayo mag uns nicht so zu überzeugen ... wir empfinden sie, wieder einmal mehr, als laute, hupende Stadt. Aber zu unserem grossen Erstaunen gibt es ein grosses Shoppingcenter!

3. Huancayo - Lima

NL17-20Der dritte Streckenabschnitt überrascht uns landschaftsmässig am meisten, obwohl die ersten 45 km hinter Huancayo eher "langweilig" sind. Hier hat man das Gefühl, das breite Tal sei zu Ende, doch die Strasse führt überraschend (wieder) ins Mantaro-Tal hinein, dem wir nun ständig flussaufwärts folgen - bis nach La Oroya. Das Tal ist eng und weist untypische, weisse Kalkfelsen auf. Anscheinend ein guter Felsen, denn überall sind aktive Steinbrüche zu sehen und zu hören (Sprengungen). Unterwegs treffen wir auf die ersten Radler seit Cusco ... zwei sympathische, junge französische Burschen, die gerade vor fünf Tagen ihre Reise in Lima gestartet haben. Wir bestaunen ihre beiden noch nigel-nagel-neuen Räder und ihr sauberes Gepäck. Noch mehr staunen wir über NL17-24die "pickfeinen", schneeweissen Radlerhosen und Trikots. Sieht unheimlich schnittig aus ... aber gerne würden wir sie wieder in zwei Monaten sehen Zwinkern. Am nächsten Tag fahren wir gespannt in die berüchtigte Minenstadt La Oroya, auf 3735 m.ü.M. gelegen, ein. Diese begrüsst uns zuerst mit einen pechschwarzen Berg von Aushubmaterial, Industrie und einem potthässlichen Kaminschlot. In dieser Gegend werden Metalle wie Zink, Kupfer, Silber und Blei geschürft und in La Oroya eingeschmolzen ... mit verherenden Folgen. Das Wasser ist verseucht und 99% der Kinder unter 10 Jahren sollen einen zu hohen Bleiwert im Blut aufweisen. 2006 und 2007 wurde La Oroya von der US-Umweltschutzorganisation zu einem der zehn am stärksten verschmutzten Orten der Welt ausgewählt. NL17-23Das Zentrum empfinden wir aber gar nicht so hässlich ... oberhalb der Stadt kleben farbige Häuser am Berghang, die einen angenehmen Farbtupfer in diese Landschaft geben. Die Einfahrt in die Stadt und der Dorfbach sind aber extrem dreckig und es stinkt. Für uns heisst es in La Oroya nochmals einkaufen und unseren letzten hohen Andenpass vor Lima in Angriff zu nehmen. Aber dann lieber schnell weiter! Unser Weg führt uns wieder auf atemberaubende 4828 m.ü.M., auf den Abra Anticona. Ein landschaftlich sehr schöner Pass mit einigen Lagunen. Wenn nur das dichte Verkehrsaufkommen nicht wäre. Vor allem der Schwerverkehr macht uns schwer zu schaffen. Jeder Lastwagen qualmt uns ein und versucht mit seinem Presslufthorn unsere Trommelfelder aus dNL17-22en Ohren zu hupen. Man merkt nur zu gut, dass wir auf der Hauptverbindungstrasse Lima - Huancayo sind. Mit viel Mühe und auch etwas Glück finden wir auf 4400 m.ü.M. einen versteckten Zeltplatz, super schön gelegen über der Lagune Huancacha. Übrigens unser bisher höchstes Camp unserer Reise. Bereits um 11:00 Uhr stehen wir am nächsten Tag auf unserem dritthöchsten Pass unserer Reise. Diesmal müssen wir bei Weitem nicht mehr so leiden wie dazumal auf dem Pso. Jama. Wir sind viel besser aklimatisiert, fitter und es ist nicht mehr so kalt. Das obligate Passfoto und dann geht es in die längste Abfahrt unseres Lebens ... von 4829 m.ü.M. NL17-21fahren wir in 165 Km nach Lima, auf Meereshöhe (0 m.ü.M.) - ohne Gegensteigungen - ein einfach unglaubliches Feeling. Durch das Tal des Rio Rimac sausen wir hinunter, an vielen kleinen Dörfern vorbei, durch enge Schluchten und viele Serpentinen. Die Landschaft ist klar vom Minenbau geprägt und auch dementsprechend verunstaltet. Und doch ist sie absolut faszinierend ... die felsigen Berghänge weisen oft alle Farben, von grau, beige, gelb, grün, rot bis violett, auf.

SOS-Kinderdorf "Rio Hondo" in Chosica
Und plötzlich, viel früher als gedacht, sind wir da ... nach einer unendlich langen (90 km) Abfahrt, stehen wir vor dem Tor "Aldea Infantil SOS - Rio Hondo". Wir sind aufgeregt, drücken die Klingel, als schon ein Junge kommt und uns gleich mitsamt den Rädern herein bittet. Herzlich werden wir vom Direktor, der Sekretärin und vielen Kindern begrüsst. Ein schöner Platz, für uns eine Oase der Ruhe. Eigentlich wollten wir erst einen Termin für unseren Besuch abmachen, doch wir dürfen gleich bleiben. So verbringen wir einen schönen Abend und den darauffolgenden Tag im Kinderdorf. Über dieses einmalige Erlebnis, die Kinder und das Dorf selber berichten wir natürlich bald in einer Extraausgabe unseres Newsletters!

Lima! Einen weiteren Lichtblick unserer letzten paar Reisewochen durch Peru dürfen wir noch kurz vor NL17-26Lima erleben. Auf der Durchfahrt in Chaclacayo besuchen wir die gastfreundliche Familie von Dora und Beat Aregger-Osorio. Beat ist Mitarbeiter und unser Betreuer von VeloPlus in Emmenbrücke. Die ganze peruanische Familie versammelt sich und kümmert sich rührend um uns. Wir werden sogar spontan zum Mittagessen an einen schönen Ort eingeladen, wo wir zum ersten Mal die leckere peruanische Spezialität Ceviche essen (roher Fisch in Zitronensauce) können. Zu gerne würden wir noch länger bleiben, doch wir müssen zu unserem grossen Bedauern die Einladung zum Ãœbernachten abschlagen, da uns in Lima bereits Harald erwartet. Bei Harald, einem deutschen Ethnologen, dürfen wir, einmal mehr, privat unterkommen; wieder ein grosses Glück für uns. Doch der Weg in die riesige 9 Millionen Stadt Lima ist nicht einfach und man muss aufpassen, dass man sich nicht in die "falschen" Stadtviertel verirrt. Doch wir finden den Weg auf Anhieb ... dank der Familie Osorio. Wir haben ein persönliches Begleitfahrzeug: Vater, Mutter und ToNL17-25chter führen uns die 45 km, langsam vorausfahrend, bis vors Haus von Harald, das im Zentrum der Stadt liegt. Welch ein Geschenk für uns!!! Es sind verkehrstechnisch die schlimmsten 30 km unserer Reise. Am angenehmsten und sichersten ist es noch auf dem Seitenstreifen der 3-spurigen Stadtautobahn. Die Stadt ist so unvorstellbar gross, wir haben das Gefühl, dass es nie mehr aufhört. Hier unten ist es überraschend auch viel kühler ... aber das ist kein Wunder. Die Sonnenstrahlen finden keinen Weg mehr durch den von Winternebel und Smogwolken überzogenen Himmel. Wir können es kaum glauben ... wir sind in Lima, der Hauptstadt von Peru Lächeln !

Peru! Und trotz all dieser wunderbaren Landschaften und den drei schönen Begegnungen, wussten wir lange Zeit nicht, ob wir es nun lieben sollen oder eben nicht? Dass Peru nicht so ein einfaches Land zum Fahrradfahren ist, wussten wir von vielen anderen Radlern. Aber wir mussten uns zuerst selbst davon überzeugen.

Sind wir nicht in der absoluten einsamen Natur, dann empfinden wir Peru oft als laut und hektisch ... NL17-16Zum Erholen sind Hostals oder Hotels nicht geeignet, weil man kaum zum Schlafen kommt. Der motorisierte Verkehr und das andauernde Gehupe der Autos rauben einem die Ruhe. Auch sind Personal und andere Gäste ziemlich rücksichtslos, was Nachtruhe angeht. Deshalb suchen wir uns am liebsten einsame Zeltplätze und meiden die Dörfer zum Übernachten. Doch auch das ist nicht ganz einfach, da Peru auch in den abgelegensten Gegenden sehr bevölkert ist. Zum ersten Mal haben wir von den Menschen in einem Land einen zwiespältigen Eindruck erhalten. Zum ersten Mal fühlen wir uns an einigen Orten und Dörfern oft nicht ganz wohl. Fahren wir in kleine Dörfchen hinein, sitzen die Leute links und rechts am Strassenrand und wir werden von den Dorfbewohnern aufs Schärfste beobachtet ... Das ist eigentlich kein Problem, schliesslich sind wir eine kleine Attraktion hier draussen. Aber manchmal werden unsere Grüsse nicht erwidert ... Viel mehr kichern und lachen sie über uns. Das einzige was wir hören ist „Gringo, Gringo, GRINGOOOOO!!! ..." ... sie rufen, ja sie schreien es uns nach, bis sie uns nicht mehr sehen ... auch die kleinsten "Knöpfe", noch fast Babys rufen schon „Gringo!!!". Etwas zynisch könnte man fast meinen, es sei das erste Wort, das ihnen in die Wiege gelegt wird (EntschuldiguNL17-14ng für diese Unterstellung). Klar, man kann Gringo auf verschiedene Tonarten ausprechen und nicht alle meinen es auch so negativ. Trotzdem können wir es nicht mehr hören. Noch nirgends zuvor trafen wir so rücksichtslose und aggressive Autofahrer wie in Peru. Noch nirgends zuvor wurden wir so gemein ausgelacht, wenn wir mal einen falschen Ausdruck in Castellano gewählt haben. Dabei geben wir uns grösste Mühe und sprechen doch schon ziemlich gut spanisch. Es fühlt sich an, als ob uns keinerlei Respekt entgegen gebracht wird. Im Gegenzug können die Peruanos aber cool vor einem hinstehen und ohne guten Tag zu sagen, die Hand ausstrecken und nach Geld verlangen... das haben wir nicht mal im ärmlichsten Bolivien erlebt. Nun sind wir doch schon durch einige andere Länder gereist und wir fragen uns, ob wir hier was falsch machen? Andere Völker - andere Sitten. Das ist hier so und wir müssen uns wohl noch daran gewöhnen und es akzeptieren. Das wäre eigentlich kein Problem für uns. Doch einen ganz dicken Hals bekommen wir, nachdem wir drei Mal hinterhältig und gemein mit Steinen beworfen werden. In Ocros wird Johannes mitten im Dörfchen mit Erde beworfen. Kurz vor Ayacucho und HuancayNL17-15o wird Andi zwei Mal von hinten mit Steinen beworfen und am Rücken getroffen ... Hmmmm, da fragen wir uns schon, was das soll? Was ist das Problem mit uns? Ob es damit zu tun hat, dass wir, gemäss unserem Bikeführer, durch eine der rückständigsten Gegenden Perus gefahren sind? Peruanos meinen, dass das Problem weit zurückliegen und mit der Eroberung durch die Spanier zu tun haben könnte. Oder mit der ganz schrecklichen Zeit, in der der Sendero Luminoso schlimmste Greueltaten in dieser Region vollbracht hat. Wir haben diese Erlebnisse vor allem in der Bergregion von Abancay bis nach Huancayo erlebt. Deshalb verallgemeinern wir dies auch nicht auf ganz Peru. Wir denken, dass es an der Küstenregion wieder besser wird ... wir hoffen es ... jedenfalls werden wir auch weiterhin die Leute freundlich grüssen und ihnen zuwinken ... Zudem wollen wir es jetzt noch genauer wissen: Wir ändern wiederum unser Programm und fliegen nicht, wie ursprünglich geplant von Lima nach Mexico, sondern fahren in Peru weiter Richtung Norden ... wie weit, das wissen wir noch nicht...

Hasta luego

Los Marandis - Marion, Andi y nuestro amigo Johannes