Die paar Worte am Ende des letzten Newsletters (Nr. 15) haben für grosse Aufregung gesorgt und stiessen wahrscheinlich auf mehr Aufmerksamkeit als der Bericht über den feinen Kaffee ... Nein, es ist nicht das, was vielleicht viele denken oder sich sogar erhofft haben(?) - trotzdem vielen Dank für all die Gratulationen :-). Eigentlich haben wir ja auch falsch informiert ... wir sind nicht zu Dritt, sondern zu Viert unterwegs. Andi, Marion, Willow el Hombrecito (siehe Blog/Link) und unser grosses „Baby" Johannes !!! Aufmerksame Leser können sich vielleicht noch an ihn erinnern. zuDrittWir trafen Johannes mit seinem Kollegen Timo bereits im Februar 2009 in Patagonien. Mit ihnen zusammen haben wir den Gletscher Perito Moreno bei El Calafate besucht (siehe Newsletter Nr. ). Seit langem sind wir mit Johannes in Kontakt und wollten ihn schon einige Male treffen, was leider nie geklappt hat. Seit Mendoza fuhren wir immer einige Tage auseinander Richtung Norden. Endlich wurde es dann in La Paz doch noch wahr und wir haben uns treffen können ... war das ein schönes Wiedersehen. Johannes kommt aus Braunschweig (D) und hat drei Tage vor seiner Panamerica-Reise sein Studium als Ethnologe erfolgreich abgeschlossen. Nun fahren wir also bereits seit zwei Wochen zusammen. Wir sind ein gut harmonisierendes Team, was nicht selbstverständlich ist. Und schnell sind wir auch noch unterwegs ... wir werden wohl auch noch weiterhin ein paar Tage gemeinsam nach Norden fahren ...

Der Aufbruch in La Paz ist mit grosser Ungewissheit verbunden ... nach fast 7 Wochen „Pause" wieder aufs Rad zu steigen, ist auch nicht ganz einfach. Wir packen wieder einmal mehr unsere Taschen neu und kaufen Proviant für die nächsten Tage ein. Wir freuen uns sehr, aber wir wissen nicht so recht, wie wir mit den Strapazen im kalten Altiplano auf fast 4000 m.ü.M. zurechtkommen und ob wir vielleicht unsere Kondition und Kraft verloren haben? Aber alle Bedenken sind wieder einmal halb so wild ... kaum sitzen wir auf unseren Stahleseln fühlen wir uns gleich

Panorama2-CordilleraReal

wieder im Element und gemeinsam mit Johannes lässt es sich noch einfacher pedalen. In flottem Tempo gleiten wir über das bolivianische Altiplano Richtung Norden und Titicacasee. Die Strecke weist zunächst keine sonderlichen Steigungen auf und so können wir uns gut einfahren. Zu unserer Rechten begleitet uns viele Kilometer ein fantastisches Panorama auf die gewaltige Bergkette der Cordillera Real. Es ist so wunderschön, das wir fast die Halsstarre bekommen vom ständigen hingucken. Wir können sogar den Pico Austria entdecken, den wir Tage zuvor bestiegen haben (siehe Blog/Link).

Bereits am ersten Tag nach La Paz erreichen wir das südliche Ufer des Titicacasees ... den höchst gelegenen, schiffbaren See der Welt (ca. 3820 m.ü.M.). Nun wird es hügeliger mit einigen langgezogenen Steigungen. An unserem Atmen und Keuchen, bemerken wir, dass wir uns immer noch in dünner Luft befinden. Doch die einmalige Landschaft und der herrliche Blick über den grossen See lässt einem die Anstrengung vergessen. TitikakaseeEs ist hier viel schöner, als wir es uns vorgestellt haben. Spät abends erreichen wir die Seeenge bei San Pablo de Tiquina, wo wir uns gleich noch mit einer kleinen Fähre ans andere Ufer, nach San Pedro de Tiquina, überschiffen lassen. Dort finden wir überraschend keine Unterkunft oder nur eine solche, wo nicht mal die Kühe übernachten würden. Auch das Militär lässt uns nicht auf der grünen Wiese übernachten. Es ist schon dunkel, als wir uns entschliessen, unser eigenes Haus aufzustellen ... fast mitten im Dorf und direkt am Hafen auf einem kleinen Fussballplatz schlagen wir unser Zelt auf.

Der nächste Tag schenkt uns gleich eine lange Steigung mit steilen Rampen auf die Hügelkuppen über dem Titicacasee. Auf einer herrlichen Panoramastrasse hoch über dem See, mit fantastischem Weitblick und mit Sicht bis Copacobanain die hohen Andengipfeln treten wir tüchtig in die Pedalen und überqueren kurz vor unserem Tagesziel einen knapp 4300 Meter hohen Pass. In rasanter Fahrt geht es hinunter nach Copacabana, einem Touristenort auf bolivianischer Seite, wo wir auch bereits wieder einen radfreien Tag einschalten, um die Isla del Sol zu besuchen. Entgegen allen Hinweisen von Radlern, dass es hier extrem teuer ist, finden wir auf Anhieb eine gute Unterkunft für CHF 3.50/Person. Am Abend treffen wir den Radfahrer Holger aus Deutschland, der Richtung Süden unterwegs ist. Er kennt uns von unserer Homepage und hat uns vor einigen Wochen per Mail angeschrieben.

Schon bald nach Copacabana verlassen wir Bolivien ... mit einem kleinen Schrecken! In unseren Pässen ist eine Aufenthaltsdauer von nur 30 Tagen, anstatt 90 Tagen für Bolivien aufgeführt. Wir waren felsenfest überzeugt, dass wir einen 90 Tage Stempel erhalten haben beim Eintritt nach Bolivien. Natürlich haben wir den Stempel nicht kontrolliert (!). Der Beamte hat dies natürlich sofort bemerkt und präsentiert und auch gleich die Rechnung ... 700.- Bolivianos haben wir die Mehrtage zu bezahlen (rund CHF 115.--). Das ist extrem viel Geld in Bolivien. Unsere Gesichter wurden bleich ... Wir hatten nämlich gar keine Bolivianos mehr, weil wir bereits alles Geld in Peruanische Sols gewechselt hatten. Nach einigen Wortwechseln reduzierte der Beamte dann auf 500 .- Bolivianos. Aber auch das war für uns sehr, bzw. zu viel. Dann machten wir einen auf Mitleid ... Andi leert seinen gesamten MujerPeruPortemonnaie Inhalt vor dem Beamten auf den Tisch und sagt, das sei alles, wir noch haben (es waren rund 60.- Peruanische Sols, also ca. CHF 20.--). Völlig überraschend nahm der Beamte, mit mürrischem Blick, das Geld an und sagte kurz „OK", ohne uns anzuschauen. Wir bekamen den Ausreisestempel und machten uns gleich aus dem Staub ... da sind wir nochmals mit zwei blauen Auge davon gekommen und ab jetzt kontrollieren wir alle Passstempel !!! Bald war der Schreck vergessen und wir konnten uns bereits an peruanischen Menschen, vor allem den Frauen mit ihren wunderschönen Trachten erfreuen ...

Wir sind in Peru ... wieder ein neues Land, wieder viel Unbekanntes, wieder müssen wir das Geld neu umrechnen und Pflugwieder sind wir extrem gespannt auf die Menschen und ihre Lebensweise. Unsere Reise führt uns in zwei Tagen entlang dem Westufer des Titicacasees und mit viel Gegenwind bis nach Puno. Die Uferregionen hier sind dicht besiedelt und campen ist nicht ganz einfach, wenn man nicht gesehen werden möchte. Auf dem Lande scheint alles ein wenig einfacher und ärmer zu sein... Wir sehen, wie die Leute ihren Boden noch mit Ochsen, die den Holzpflug ziehen, umpflügen. Fast könnte man meinen, dass die Zeit hier stehen geblieben ist und wir uns im Mittelalter befinden. In Puno deponieren wir unsere Räder um einen Kulturausflug ins 330 km entfernte Arequipa und in den Colca Canyon zu machen. StaCatalinaNicht umsonst heisst es, Arequipa sei eine der schönsten Städte Perus. In der Tat gefällt uns die Stadt. Vor allem der Besuch des Conventes Santa Catalina beindruckt uns sehr. Mehrere Stunden erkunden wir das Kloster, bestaunen die Lebensweise der Nonnen und der grandiosen Architektur. Diese verleitet Johannes und Andi unzähligen Fotos zu schiessen, aus allen möglichen Winkeln. Nach über 400 Jahren wurde das Kloster 1970 erstmals der Öffentlichkeit gezeigt, nachdem es in den Jahren 1958 und 1960 von Erdbeben zerstört und danach restauriert wurde. Von Arequipa aus besuchen wir auch noch den tiefsten Canyon der Welt, Condorden Colca Canyon. Von einem Aussichtspunkt, hoch über dem Canyon kann man in den frühen Morgenstunden die riesigen Condore, mit einer Flügelspannweite von über 3 Metern, bei ihren grandiosen Gleitflügen beobachten. Ein fantastisches und einzigartiges Naturschauspiel. Doch dieser 4-tägige Ausflug war für uns auch sehr streng. Total über 21 Stunden sind wir im Bus gesessen, was für uns sehr schon ein wenig befremdend und ungemütlich war ... das werden wir so schnell nicht mehr machen und wir wissen nun definitiv, dass das Reisen per Rad für uns viel angenehmer ist.

Glücklich wieder auf unserem eigenen Sattel zu sitzen, fahren wir dem Ende des Altiplanos entgegen. Das Ende des Altiplanos heisst für uns auch wieder hochzufahren und die Anden überqueren. 3CampStaRosa km vor Santa Rosa finden wir nochmals ein geschütztes Plätzchen zum Zelten. Wir sind froh, müssen wir nicht ins Dorf, denn dort ist ein Fest im Gange, das bis in die frühen Morgenstunden dauert. Hinter Santa Rosa führt uns der Weg auf den 4360 Meter hohen Pass „Abra la Raya", wo wir, wie überall zuvor im Altiplano sehr schöne und „süsse" Alpacas sehen. Diese sind Zuchttiere (wie auch die Lamas) gehören zur gleichen Gruppe wie die Guanacos und Vicuñas. Nun können wir endlich wieder einmal unsere Räder rollen lassen. Vom Pass aus fahren wir in eineinhalb Tagen rund 130 Km durch das Tal des Rio Vilcanota hinunter, Richtung Cusco. AbraLaRayaWir freuen uns bereits auf die Thermalquellen von Aquas Calientes, auf die wir schon 10 Km nach dem Pass treffen. Yeahhh, die ersten Thermalquellen seit unserem Reisestart und endlich mal ein warmes, wohltuendes Bad. Doch als wir die Anlage und das Wasser von Nahem sehen, vergeht uns die Lust aufs Baden sofort, obwohl wir bereits Eintritt bezahlt haben. Es kommt uns hier eher vor, als sei es das Waschbecken der Einheimischen. Also geht's gleich weiter ... vorbei am kleinsten Vulkan der Welt. Es wird wieder angenehm warm und die Gegend grüner. Der Rio Vilcanote rauscht durchs Tal, welches mal eng, mal breit und von grasbewachsenen, steilen und Alpacahohen Bergflanken geprägt ist. Vielfach führt die Strasse sehr hügelig an den Berghängen entlang, um die fruchtbare Talsohle zu schonen. Wir grüssen oder winken den Leuten in den kleinen Dörfern oder den Bauern und Strassenarbeitern auf dem Land zu. Und fast ausnahmslos werden unsere Grüsse sehr freundlich retourniert. Nur ab und zu ertönt ein „Gringos", meistens von ganz kleinen Kindern. Mehr und mehr bemerken wir, dass wir uns im Reich der Incas befinden. Zeichnungen an Hauswänden und archäologische Sehenswürdigkeiten weisen unübersehbar daraufhin ... Machu Picchu wir kommen ...

Doch erst einmal muss die alte Inkametropole Cusco erobert werden. Was die Spanier unter Pizzaro mit 180 Männern schafften, sollte uns doch, moderner behelmt , auch zu dritt möglich sein. Anfangs versucht uns die Stadt durch eine lange ansteigende Strasse, durch ein unattraktives Gewerbegebiet jede Lust auf ihren Besuch zu nehmen. Ha, Berge machen uns selbstverständlich überhaupt nichts aus, da muss die 3400 Meter hoch liegende Stadt schon was anderes aufbieten. Das tut sie und nervt uns mit den asiatischen Sammeltaxen, die uns Auspuffgase ins Gesicht pustend knapp überholen und uns zum gefährlichen Fahrbahnslalom zwingen. Eigentlich ziemlich dumm, dass Cusco einem die Einfahrt so schwer undunangenehm macht, denn wir Drahtesel sollen doch bitteschön ein paar goldene Dukaten hier ausscheiden, 170 US Dollar zum Beispiel für den Ausflug Cusconach Machu Picchu, einer Ruine, die man endlich mal problemlos aussprechen kann und eine Attraktion, an der sich wieder symptomatisch die Tourismusambivalenz erleben lässt. Man will ja eigentlich dort hin und trotzdem verachtet man alle anderen, die dasselbe wollen. Wäre der Weg zu den Ruinen nicht so liebevoll mit Geld intensiven Hürden belegt worden, man würde ja zur Abgrenzung von allen anderen Touristen gerne sein Fahrrad mit nach Machu Picchu nehmen wollen, um sich als „wahrer" und „untouristischer" Tourist zu präsentieren. Vielleicht sollten wir als Kompromiss, denn die Radtour dorthin ist mal wieder ziemlich hügelig um nicht zu sagen bergig, wenigstens in unseren unattraktiven (wir sprechen hier natürlich nur von unserer Radkleidung) Polsterhosen dort aufkreuzen und nicht in den allerwelts Khaki-Hosen. Schwierige Entscheidung ... vamos a ver ...

Viele Grüsse aus Cusco

Marion, Andi und Johannes