Seit unserem letzten Newsletter haben wir wieder unheimliche viele schöne Sachen erlebt und unzählige liebe Leute kennen gelernt. Das alles und die einmalige Atmosphäre können wir hier unmöglich aufschreiben. Aber wir versuchen es mit ein paar Ausschnitten …

 

Nach 5 Tagen verlassen wir die „Grossstadt“ Punta Arenas und freuen uns so richtig, wieder in den Sattel steigen zu können. Bisher hatten wir sehr viel Glück mit dem Wetter, doch es zeigt sich irgendwie, dass wir immer nach Pausen in grösseren Ortschaften, bei der Abfahrt schlechtes Wetter haben.

So auch hier in Punta Arenas – nach 2 Km Fahrt beginnt es zu regnen. Bald müssen wir die Hauptstrasse nach Seno Otway verlassen, wo wir eine kleine Pinguine Kolonie besuchen wollten. Die Fahrt dorthin hat es aber in sich – 35 Km waren es, auf einer sehr üblen Schotterpiste – eigentlich war es ein 35km langes Waschbrett!!! Nach über 3.5h erreichen wir eine kleine Fischerhütte am Ufer des Seno de Otway, wo wir unser Zelt aufschlagen. Glücklicherweise hört es auf zu regnen, die Sonne kommt hervor und wir können den 8 km langen Fussmarsch entlang der schönen Küste zu den Pinguinen in Angriff nehmen. Dann endlich ein erster grosser Höhepunkt unserer Reise … wir sehen zum ersten mal Pinguine in freier Natur. Es sind kleine Magellan Pinguine, die sich am Ufer in kleinen Gruppen aufhalten. Aber halt, 50 Meter hinter uns hat es in den Wiesen noch viel mehr Pinguine. Es ist herrlich, diesen kleinen niedlichen Tieren zuzuschauen, wie sie „umherwatscheln“. Wir setzen uns auf einen Stein und geniessen diese friedlichen Tiere aus ca. 5 – 10 Meter Distanz. Das Besondere: Es ist eine nicht touristische Pinguinkolonie und so haben wir sie ganz alleine für uns. Nach 2 Stunden müssen wir bereits wieder Abschied nehmen um noch vor dem Eindunkeln wieder beim Zelt zu sein. Die Rückfahrt am nächsten Tag war nicht besonders schön … auf der ganzen 35 km Holperpiste regnet es in Strömen. Kaum sind wir wieder auf der asphaltierten Hauptstrasse angekommen scheint jedoch die Sonne wieder.

Unser nächster grosser Etappenort ist Puerto Natales. Der Weg dorthin führt uns wieder durch grossflächige, einsame Pampas. Zwischendurch weisen abzweigende Schotterstrassen und Schilder darauf hin, dass hier draussen auch noch Leute wohnen. Ab und zu sehen wir auch wilde Nandus (ähnlich dem Strauss), Füchse und natürlich Schafe und Rinder. Es ist eine einsame, karge und sehr windige Gegend hier, aber doch wunderschön. Bei der einzigen Tankstelle auf dem 250 km langen Weg nach Puerto Natales schlagen wir unser Zelt für die nächste Nacht auf. Da nirgends ein geeigneter Platz für unser Zelt zu finden ist, müssen wir das Zelt in einer Rabatte, mitten in der Tankstellenzufahrt aufbauen - voll dem Wind ausgesetzt. In dieser Nacht muss unser Tunnelzelt das erste Mal eine richtige Windprüfung bestehen, welche es mit Bravour meisterte – nur WIR haben nicht so viel geschlafen. Über Villa Tehuelches radeln wir weiter zum Hotel Rubens, wo wir nach einer windigen Etappe und über 6 Stunden Fahrzeit, einen Tag Pause einschalten. Wir dürfen hinter dem Hotel im schönen Park zelten. Auf der letzten Etappe vor Puerto Natales wird das Gelände ein wenig welliger … wir merken, es geht langsam Richtung Berge. Diese Strecke weist eigentlich nicht viel Verkehr auf und doch liegen alle paar hundert Meter tote Hasen auf der Strasse herum. Der Anblick ist nicht immer sehr schön, sind sie von den Autos und Lastwagen teilweise schon perfekt für den Pfannentopf zerlegt worden … Ob es hier einfach tausende von diesen Langohren gibt oder jetzt halt keine mehr, war bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt...

Obwohl Puerto Natales mit seinen rund 20‘000 Einwohner eine schöne Stadt ist, wollen wir nur zwei Tage bleiben, da es uns in die Berge und in den Nationalpark Torres del Paine zieht. Doch leider müssen wir aus organisatorischen Gründen einen Tag länger bleiben. Die Pumpe unseres Benzinkochers macht Probleme und wir müssen dringend eine neue haben. Nur kriegt man in ganz Patagonien nirgends eine MSR-Pumpe für unseren Dragonfly-Kocher. Über Email und 3 Telefonaten können wir mit dem Haupsitz in Seattle Kontakt aufnehmen und eine neue Pumpe bestellen, welche mit FEDEX, innert 3-5 Tagen, an unseren nächsten grösseren Ort – El Calafate – gesendet wird.

Von Puerto Natales aus sieht man bereits über das Wasser die ersten hohen Berge des Nationalparkes Torres Del Paine. Endlich Berge… Die weiten Pampas sind auch sehr schön, aber die bergigen Landschaften bringen doch mehr Abwechslung. Nach ein paar Kilometer auf Asphalt geht es links in eine Schotterstrasse Richtung Park. Knapp 90km sind es bis zum Parkeingang. Da man im Park nicht wild zelten darf, schlagen wir unser rotes „Haus“ 10 km vor dem Parkeingang auf. Hoch über dem Lago Torres, mit schönstem Blick auf das Herzstück des Nationalparkes, den Cuernos del Paine. Am nächsten Tag treffen wir ein paar Meter vor dem Parkeingang auf Simon, einen sehr sympathischen, deutschen Radler aus dem Allgäu. Wir freunden uns gleich an, denn die Chemie stimmt auf Anhieb. Die nächsten 5 Tage werden wir mit ihm zusammen im Park verbringen. Simon ist bereits über 2000 km die Carretera Austral hinunter geradelt und besucht nun noch den Nationalpark.

Nun sind wir endlich im Torres Del Paine, von dem wir schon so viel gehört haben. Unsere Erwartungen werden übertroffen … An unserem ersten Zeltplatz am Lago Pehoe haben wir einen sensationellen Blick auf das Bergmassiv der bekannten Cuernos del Paine. Tausendmal haben wir über die grün, blauen Seen zu den Cuernos hoch geschaut und hunderte von Fotos gemacht. Die Cuernos sind aus schönem, glattem Granit und Ihre Spitzen sind mit dunklem Sedimentgestein bedeckt – das macht diese Berge so speziell. Das Massiv vom Torres del Paine ist überings völlig unabhängig von den Anden entstanden. Es gefällt uns so gut, dass wir gleich einen Tag am Camping bleiben und kleine Wanderungen zu Aussichtspunkten machen. Die Stimmung ist ausgezeichnet … wir kochen gemeinsam unsere Abendessen und Simon erzählt uns von seinen Erlebnissen auf der Caraterra Austral. Zudem ist Simon ein begeisterter Fotograf und knippst ebenfalls gerne ein Bild nach dem anderen. Er gibt uns unzählige Tipps fürs Fotografieren, worüber wir sehr froh sind. Simon lehrt uns auch Mate-Tee trinken, das Nationalgetränk der Argentinier. Neben uns campiert auch gleich noch ein deutsches Ehepaar, das mit ihrem Jeep schon fast die ganze Welt bereist hat. Mit ihnen diskutieren wir bis tief in die Nacht hinein …

Nach einem regnerischen Morgen machen wir uns bei schönstem Wetter auf zu unserem 2. Zeltplatz in im Nationalpark (Camp Hosteria Torres), wo wir eine grössere Wanderung zu den Torres del Paine machen wollen. Es ist unglaublich – das Thermometer zeigt über 25°C an – dafür herrscht aber heftiger Wind und die Schotterpiste geht ständig steil bergauf und bergab. Auf den 37 Km zum Camping überwinden wir fast 1000 Höhenmeter. Es ist streng, aber mit dem ständigen, fantastischen Blick auf die Cuernos und später auf die Torres ist das kein Problem. Mit Simon zusammen zu radeln ist für uns sehr angenehm. Simon nimmt sich für alles Zeit, fotografiert und geniesst es einfach – genau so muss man es machen.

Das Camp Hosteria Torres ist der Ausgangspunkt zum „Mirador Torres“ Von dort soll man die grandiosen Felsnadeln der „Torres Del Paine“ von kurzer Distanz erblicken können. Der Weg hinauf wird mit 4.5 h angegeben. Es ist eine herrliche, abwechslungsreiche Wanderung – nur der letzte Abschnitt über eine steile, riesengrosse Moräne ist relativ anstrengend. War es im Camp noch schön, haben wir im Bergtal sehr starken Wind, leichten Regen und Wolken. Wir sehen nichts und doch entscheiden wir uns für den Weiterweg. Als wir bereits nach 2.5h am Mirador Torres ankommen, sehen wir tatsächlich nichts. Doch der Ort hat etwas Mystisches. Ein kleiner, türkisfarbener See liegt vor uns, von hohen dunklen Felswänden umgeben und es beginnt sogar leicht zu schneien. Nach 15 Minuten lichtet sich alles und die Wolken geben die Torres frei ...

HERRLICH und FANTASTISCH !!!

 

 

 

Einen Tag später radeln wir mit Simon wieder aus dem Park, immer mit einem Blick zurück auf die Torres. Kaum sind wir aus dem Park raus, fahren wir wird es flacher und wir fahren wieder in die Pampa… In Cerrito Castillo, gleich vor der Grenze zu Argentinien übernachten wir und müssen, nach der bisher stürmischsten Nacht, am nächsten Tag leider von Simon Abschied nehmen, der uns nicht leicht fällt. Simon fährt in den Süden nach Punta Arenas, wo er zurück in die Heimat fliegt.

Wieder unter uns machen wir uns auf den langen Weg nach El Calafate, von dem wir wegen den Winden grossen Respekt haben. Vor der Grenze nach Argentinien essen wir noch schnell unsere Früchte und Fleisch, so dass wir den Zoll ohne Probleme passieren können. Doch macht uns der Wind nun viel grössere Probleme. Wir kommen kaum mehr vorwärts – wir wissen jedoch, dass die Strasse nach einigen Kilometer dreht und wir Rückenwind haben werden. So ist es dann auch. Auf wieder asphaltierter Strassen rasen wir die nächsten 40 Km ständig mit 30 – 47 Km/h dahin. Wau – das ist ein unbekanntes, grossartiges Feeling. In Tapi Aike, das eigentlich nur aus einer Tankstelle besteht, zweigt die berühmt berüchtigte Rute 40 ab – Schotter natürlich. Eigentlich müssten wir ab hier Seitenwind haben. Aber ohh Wunder ... immer noch mit Rückenwind nehmen wir die Strecke unter die Räder. Hier sind wir nun wirklich im Nichts draussen… nur die Pampa, die Strasse und wir. Nach total 87 Km an diesem Tag schlagen wir unser Zelt neben der Strasse auf und kochen uns eine grosse Pfanne Spagetti.

Rund 130 km sind es noch bis nach El Calafate – doch zum ersten mal müssen wir uns dem Wind beugen und uns geschlagen geben. Nach 30 km gegen heftigsten Wind erreichen wir nach über 3.5h Fahrzeit wieder die Ruta 5, welche glücklicherweise aphaltiert ist. An der Kreuzung steht ein kleines Haus - das Strassenamt Vialidad El Cerrito, welches für den Unterhalt der Stassen verantwortlich ist. Dort suchen wir Unterschlupf vor dem herannahenden Regen, von dem wir bereits die ersten Tropfen abbekommen haben. Wir sind willkommen und kriegen von den beiden Bauarbeitern gleich ein feines Mittagessen serviert - inklusive Wein. Wir machen eine lange Pause und entscheiden uns um 13:00 Uhr, wieder bei Sonnenschein, für die Weiterfahrt nach Norden –voll gegen den Wind. Das war wohl ein kleiner Planungsfehler... Nach 20 Km können wir nicht mehr … mit 6 Km/h gegen den Wind zu fahren zermürbt einem. Das Zelt können wir bei diesem Wind auch nicht aufschlagen, da es nirgends einen kleinen Hügel hat, der uns nur ein wenig schützen würde. Wir entschliessen uns zur allerletzten Massnahme – Autostopp (oh Schande Wink)!!! Tatsächlich lädt uns ein junger, freundlich Mann mit einem Kastenwagen auf und fährt uns die restlichen 80 Km direkt nach El Calafate. Natürlich waren wir zuerst unendlich erleichtert, doch kommt bereits das erste Mal der Gedanke auf, nicht alles mit dem Rad gefahren zu sein. Nun gut, auf 22‘000 Km kommt es auf 80 Km auch nicht an – oder? Nun sind wir jedenfalls hier in El Calafate, einfach ein bisschen früher als gedacht Wink.

El Calafate ist Ausgangspunkt für den berühmten „Perito Moreno“ Gletscher und wohl eines der teuersten Pflaster in Argentinien. Wir sind ein wenig erschrocken, denn El Calafate ist voller Touristen. Gerade findet ein sehr bekanntes Musikfest, das „Fiesta del Lago“ statt. Es ist gratis und wird von der Stadt organisiert. Die Zeltplätze sind voll und der Lärmpegel der Musik und der jungen Leute ist enorm. Das sind wir uns nicht mehr gewöhnt … Trotzdem ist alles sehr interessant. Die erste Nacht verbringen wir auf dem vollgestopften Zeltplatz und lernen eine neben uns campierende Familie aus Argentinien kennen. Sie offerieren uns gleich von ihrem frisch gebratenen Rindfleisch und am Abend laden sie uns zu einem, zwei, drei Bieren (!) ein. Da Marion die spanische Sprache schon sehr gut im Griff hat, können wir bis tief in die Nacht hinein in ihrem Wohnmobil diskutieren und haben es sehr lustig…

Leider ist unsere Pumpe für den Kocher doch nicht angekommen. Sie steckt in Buenos Aires fest. Nach DHL kann man sich auch auf den Lieferdienst von FedEx nicht verlassen… Wir müssen nun wieder neu organisieren und werden wohl 2 Tage länger im El Calafate bleiben müssen … Vor uns stehen noch ein paar harte Kilometer nach El Chaltén, bevor wir dann den abenteuerlichen Übergang zur Carretera Austral machen werden und dort hoffentlich weniger Wind antreffen werden …

Wir grüssen euch aus dem fantastischen Patagonien

Marion & Andi