Seit unserem letzten Newsletter aus San Carlos de Bariloche ist eine lange Zeit vergangen. Wir haben in der Zwischenzeit viel "gearbeitet" ;-) ... wir sind so richtig in Form gekommen und haben uns vor allem dem Fahrradfahren und nicht dem Newsletterschreiben gewidmet. Gestern sind wir in der (Wein-) Stadt San Rafael eingetroffen und somit noch 237 km von unserem grossen, örtlichen Zwischenziel – Mendoza - entfernt. Bis San Rafael sind wir von Bariloche aus ziemlich genau 1'355 km und 14'300 Höhenmeter geradelt und haben wiederum sehr viel erlebt und gesehen. So viel, dass wir gleich zwei Newsletter verfasst haben und mit etwas Abstand versenden ...

Newsletter Nr. 8: Ruta de los 7 Lagos und nach Chile
(Bariloche - Las Lajas)

Newsletter Nr. 9: der geniale Weg nach Mendoza (ARG)
(Las Lajas - Mendoza)

SchattenMarandis

Um nach Mendoza zu gelangen haben wir nicht den direkten Weg gewählt. Mit einem Umweg und Abstecher nach Chile wollen wir die dortige, schöne Seenregion besuchen. Die landschaftlichen und klimatischen Unterschiede auf den Streckenabschnitten nach Chile und dann wieder nach Argentinien zurück haben uns äusserst beeindruckt – sie könnten nicht gegensätzlicher sein. Es war grossartig, hat uns aber auch sehr gefordert, mehr als in Patagonien … Von der Jahreszeit her sind wir recht spät unterwegs. Wir bemerken dies an den Bäumen (wenn es solche mal hat), welche die schönen, herbstlichen Farben annehmen und auch massenweise vom Wind zu Boden befördert werden. Viele Campings sind bereits geschlossen - die Saison ist "gelaufen". Es hat dadurch wenige Touristen unterwegs, was ein schöner Vorteil für uns ist. So haben wir es sehr ruhig, können die schönen Plätzchen für uns alleine geniessen und die Leute bei unseren Übernachtungsorten haben viel Zeit für uns. Alle sind äusserst nett und sehr gesprächig. Natürlich bemerken wir den Herbst auch an den tiefen Temperaturen in der Nacht und vor allem am Morgen. Das Tauwasser aussen und im Zelt gefriert über die Nacht und es kann schon vorkommen, dass es um 09:00 Uhr, wenn wir losfahren, immer noch nur +1°C ist (brrrrrrrrr). Die Temperaturen steigen jedoch in Argentinien rapide schnell an. Bereits eine Stunde später ist es 20°C und nach dem Mittag steigt das Thermometer auf ca. 30°C an. Das ist sehr heiss, wenn man den ganzen Tag keinen Schatten findet, wie auch schon vorgekommen. Aber fangen wir von vorne an …

Unsere Abreise aus San Carlos de Bariloche hat sich 3 Tage verzögert. Immer wieder haben wir den Aufbruch wegen des schlechten Wetters um einen Tag hinausgeschoben. Es behagte uns einfach nicht recht, bei solch grässlichem Wetter wieder loszufahren und unser warmes, heimeliges "Nest" zu verlassen. Es war, wie wenn man auf einen 10 Meter-Sprungbrett steht und den Absprung immer wieder hinauszögert. Dabei kennen doch Radfahrer kein schlechtes Wetter – nur schlechte Kleidung. Uns kam es auch vor, als ob wir, wie Zuhause, nach zwei Wochen Ferien wieder an die Arbeit müssten. Der Abschied von Elisabeth und Urs war auch mit grossen Emotionen verbunden, haben wir doch fast zwei Wochen bei ihnen gewohnt … wir wurden eine richtige Familie.

Ruta de los 7 Lagos
Am Montagmorgen ist es dann aber doch endlich soweit - Regen und Wind haben sich verzogen. Wir legen gleich eine 90 km Etappe hin (alles Asphalt) um nach Villa La Angostura, einem schönen, aber sehr touristischen Ort, zu gelangen. Die Strecke führt uns hauptsächlich dem schönen Lago Nahuel Huapi entlang, ohne grosse Steigungen. Nur holt uns leider nach 60 km der Regen wieder ein, aber daran stören wir uns bereits nicht mehr gross, da wir ja gute Regenkleider haben Lächeln. In Villa La Angostura haben wir die Nacht in einem super Hostel verbracht. Der Inhaber war selber ein grosser Rad-Fan und mit den anderen, sehr interessanten Gästen aus verschiedenen Ländern (Argentinien, Belgien, Frankreich, USA) haben wir den ganzen Nachmittag und bis um Mitternacht Mate-Tee getrunken und geschwatzt. Bereits in Bariloche haben wir uns für die Weiterfahrt die Ruta de los 7 Lagos ausgesucht, um nach San Martin de los Andes zu gelangen. Wie der Name schon sagt, führt uns die attraktive Route an sieben grösseren Seen, die kleinen nicht einmal dazugezählt, entlang. Wir fahren durch hügelige, bewaldete und sehr idyllische Landschaft. Alles ist grün und Wasser hat es zu genüge. Am herrlichen Lago Villarino schlagen wir dann auch unser Zelt für die Nacht auf. Der grösste Teil der Route ist eine recht gute Schotterstrasse, jedoch zurzeit auch wieder eine grosse Baustelle. Bis ins Jahr 2012 sollte diese ganze Strecke asphaltiert werden. Schade, dies wird den Autoverkehr durch dieses schöne Gebiet massive erhöhen. Auf der Weiterfahrt nach S.M. de los Andes überqueren wir auf 1173 m.ü.M. die Wasserscheide Pazifischer Ozean und Atlantischer Ozean. Danach können wir endlich einmal unsere Räder so richtig laufen lassen - ein 15km lange Abfahrt auf Asphalt mit 500m Höhenunterschied führt uns in den schönen touristischen Ort S.M. de los Andes am Lago Lacar, eingebettet von hohen Hügeln.

Chilenische Seenregion
Von nun an ist es mit der Auswahl an Strassen nicht mehr so einfach wie im Süden von Patagonien, wo oft nur eine einzige Strasse zum Ziel führte. Viele Varianten stehen uns zur Verfügung. Wie bereits zu Hause geplant, machen wir einen Abstecher in die Chilenische Seenregion - für manche eine der schönsten Gegenden in Chile, ja sogar auf der Welt. Dafür müssen wir einerseits die Andenausläufer überqueren und andererseits wieder bis auf 200 m.ü.M. hinunter. Wir entscheiden uns für den südlichsten der drei Übergänge, den Pso. Huam Hum (Sprich: uaum). Eine gute Entscheidung … die Schotterstrasse führt uns durch einsame Mapuche Gegenden, fast 90% in Wäldern. Wir entdecken einige wunderschöne, abgelegene Plätzchen zum Pausemachen. Nach Überquerung der Grenze nach Chile führt uns ein schmales, einsames Strässchen zum Lago Pirihueico, wo die Strasse endet. Hier kommt man nur mit der Fähre weiter. Eineinhalb Stunden lang können wir die Fahrt auf dem von Bergen eingebetteten, fjordartigen See geniessen. An dessen anderem Ende bei Puerto Fuy finden wir keinen Campingplatz und beziehen ein einfaches Hospedaje. Nun sind wir in dem viel besagten chilenischen Seenland, das auch als Schweiz von Chile bezeichnet wird. Traumhafte See, umgeben von hügeligen, bewaldeten Bergen. Es hat saftig grüne Wiesen auf denen das Vieh weidet – tatsächlich wie in der Schweiz. Es gibt aber neben der Landschaft, Sprache usw. einen grossen Unterschied … in Panguipulli, einem netten 8000-Seelen Städtchen, am gleichnamigen See und mit eigenwilliger Holzkirche, entdecken wir dann völlig überraschend, diesen Unterschied: Vulkane! Direkt von unserem Campingplatz aus sehen wir den berühmten Vulkan Villarrica. Wie im Bilderbuch hat er die Form eines Kegels und ist an der Spitze mit Schnee und Eis bedeckt – Fantastico!!! Über ansprechendes Hügelland fahren wir weiter ins Seenland hinein und entlang dem Lago Calafquen zum Touristenort Licon Ray, wo wir an einem herrlichen Sandstrand unsere Mittagspause verbringen. Es hat Surfer, Wasserskifahrer und Pedalos … wie in Italien an einem Strand. Uns kommt die Situation irgendwie etwas befremdend vor, doch es ist ein sehr schöner Ort, wo man länger hätte verweilen können. Weiter geht es bis zum Ort Villarica, wo wir im Hostel „Torre Suiza“ halt machen. Dieses wird von Claudia und Beat aus Basel geführt, welche auf ihrer geplanten Veloreise um die Welt hier hängen geblieben sind. Leider erfahren wir die unfreundlichste Begrüssung, die wir seit dem Start unserer Reise in Ushuaia hatten. Wir waren richtig perplex, dachten: „typisch Schweizer“ und wollten schon wieder gehen. Doch hat sich dann alles relativiert und die Atmosphäre wurde lockerer … wir hatten einen schönen Aufenthalt mit sehr interessanten Begegnungen – einem jungen Schweizer Reisepaar, zwei Schweizer Radfahrer (die gerade ein paar Tage vor uns nach Norden fahren) wie auch Robert aus Berlin. Er hat seine Schreinerausbildung abgeschlossen und ist nun auf seiner traditionellen Walz, welche ihn auch nach Südamerika führt. Er unterhält uns alle den ganzen Abend sehr gut und lustig. Erzählt von seinen Erlebnissen und erklärt uns die Tradition der Walz mit all ihren vielen Regeln, denen er verpflichtet ist. So zum Beispiel dauert die Walz genau 3 Jahre und einen Tag. Für Robert sind es, wie er uns selber sagt: „Drei kurze Jahre und „one fu…ing long day“.
Eigentlich haben wir vor, von Villarrica aus den Vulkan Villarrica zu besteigen. Doch nach dem langen Aufenthalt in Bariloche zieht es uns einfach weiter … Weiter auf einem unbekannten, aber genialen Weg, der uns wieder zurück nach Argentinien führen soll … zurück nach Argentinien und zurück in die Pampa.

Um von der fruchtbaren Seenlandschaft wieder zurück nach Argentinien zu gelangen, müssen die Andenausläufer wiederum überquert werden – diese sind hier etwas höher, da sie nördlicher liegen als der letzte Übergang. Dies bedeutet für die nächsten Tage: „bergauf“. Nach Villarrica haben wir entgegen den Wetterprognosen kein schönes Wetter. Aber wir dürfen uns keinesfalls übers Wetter beklagen (wir sind einfach etwas verwöhnt!) und sprechen hier auch nicht von schlechtem Wetter, denn zum Radfahren ist es ganz angenehm – es hat eine dichte Bewölkung mit Nebel und zeitweise auch leichter Nieselregen. 70 km und über 5,25 Stunden fahren wir bis in die etwas unsympathische Stadt Cunco, teilweise auf schlechtem Ripio und ohne irgendetwas zu sehen – zum ersten Mal haben wir einen unattraktiven Tag – einen richtigen Arbeitstag zum Abhaken. Das nicht schöne Wetter ist aber nur ein kleiner Ausrutscher. Bereits am nächsten Tag haben wir wieder, wie meistens, herrliches, warmes Wetter und die Fahrt Richtung Argentinischer Grenze ist auch richtig attraktiv. Durch ein sehr breites und langes Tal geht es leicht bergauf, bis es sich dann verengt und der Aufstieg zum Pso. Icalma beginnt. Vor diesem Anstieg treffen wir überraschend auf ein wunderschönes Plätzchen. Santa Elvira hiess es, eine schöne Lichtung im bewaldeten Tal und an einem Bach liegend. Spontan entscheiden wir uns, trotz erst wenigen gefahrenen Kilometern, uns an diesem Tag ein Cabana zu leisten. Es war ein idyllischer Ort, wo man auch etwas länger hätte die Seele baumeln lassen können.

Der folgende Tag ist physisch sehr streng - ein langer, steiler Aufstieg auf Schotter zum Dörfchen Icalma, wo wir auch unseren Ausreisestempel aus Chile holen. Danach geht es noch einmal bergauf, bis wir dann auf 1299 m.ü.M den Pso. Icalma überqueren und somit auch die Landesgrenze. Von hier an änderte sich die Vegetation – zunächst waren es vor allem die Wälder – mit den schönen, speziellen Araukarienbäumen. Diese Bäume sind ungefähr 1000 Jahre alt. Nach kurzer Abfahrt holen wir uns beim Argentinischen Zoll wiederum den obligaten Einreisestempel. Etwas erstaunt sind wir, als der Zöllner die Ausweispapiere unserer Motorräder verlangt, obwohl wir in unseren kurzen Fahrradklamotten und Helm vor ihm stehen (?). Hingegen sah ein andere Zöllner gleich, dass wir Radfahrer sind und liess uns mit all unserem vorgezeigten Essen, das wir eigentlich nicht hätten einführen dürfen, durch. (Da war die Schweinepest noch kein Thema.) Nach 20 km entlang dem schönen Lago Alumine folgt ein zweiter Aufstieg zum Pso. Arco. Es ist ein 30 Kilometer langer, jedoch nicht steiler Anstieg. Die Landschaft ändert sich nun komplett – das Grün macht dem Braun Platz. Die Araukarienwälder lichten sich mehr und mehr und viel Stein und Sand kommt zum Vorschein. Eine breite, glatte Strasse aus Vulkanasche und -schotter führt uns berghoch. Es ist fantastisch! Für uns eine völlig neue, unbekannte Landschaft – es fällt uns auf, dass wir auf diesem Abschnitt nicht viel zusammen sprachen – viel mehr staunten wir einfach über diese karge, trockene und sehr einsame Umgebung. Nur selten überholt uns ein Auto. Ganz leicht war es nicht, denn die Sonne macht uns die Sache nicht leicht. Es wird sehr, sehr heiss und wir dementsprechend durstig. Wasser gib es kaum und wenn, dann hätte man es filtern müssen. Wir erreichen kurz nach Mittag unseren bis dahin höchsten Punkt, den Pso. Arco auf 1755 m.ü.M. gelegen. Die Passhöhe ist völlig unspektakulär – kein Schild, nichts weist darauf hin. Die Sicht auf einen schönen Vulkan in der Ferne rundet die Sicht in die Weite ab. Danach geht es, mit nur einem Gegenanstieg, bergab, bis zum auf 714 m.ü.M gelegenen und 64km entfernten Ort Las Lajas. Kein speziell schöner Ort – wir campieren auf dem offiziellen Camping (wir waren alleine und die letzten Gäste dieser Saison) und können fast die ganze Nacht nicht schlafen, obwohl wir sehr, sehr müde sind. Die Hunde bellen ohne Ende und am gegenüberliegenden Ufer des Flusses machen Jugendliche Lärm bis um 4:00 Uhr morgens. Dabei müssen wir doch am Morgen bereits um 6:00 Uhr wieder aufstehen, um die lange (90km), durch völlig einsame Pampa führende Strecke nach Chorriaca zu bewältigen …

Noch immer sind es 750 km nach Mendoza ... es wird noch einsamer und wir erleben eine gefährliche Überraschung, wie auch ein absolutes Highlight ... mehr dazu im nächsten Newsletter Nr. 9, der in wenigen Tagen folgt...

Hasta luego y muchos saludos

Marion & Andi