NL11Famatinatal

Argentinien ist einfach unvorstellbar gross, imposant und wunderschön. Die letzten zwei Wochen sind wir durch die drei Provizen La Rioja, Catamarca und Tucumán gefahren ... diese Zeit kam uns wie eine "Berg- und Talfahrt" vor ... sei es vom Wetter her (Temperaturen), von den Gefühlen wie auch von den topografischen Begebenheiten ...

Unser rotes "Haus" im „Valle de la luna" ist abgebaut und wir freuen uns auf einen landschaftlichen Höhepunkt unserer bisherigen Reise. Durch ein breites Hochtal fahren wir in den 80 km entfernten Nationalpark „Talampaya". Unterwegs fahren wir so nebenbei noch unseren 5000. km, was ja ein kleines Jubiläum ist und sehen ein ganz eigenartiges Tier. Auf den ersten Blick denkst du: Aha, ein Hase! Dann aber merkst du: Neee, viel zu gross und hüpft wie ein Känguru durch die Gegend. Hat aber keinen Schwanz zum Abstützen. Es hüpft jedoch nicht nur auf seinen beiden Hinterbeinen - nein, es hüpft mit allen vier Beinen gleichzeitig, was sehr, sehr lustig aussieht. Was ist das bloss? Wir werden es später erfahren... Überhaupt hat es in dieser Gegend zum ersten Mal eine richtige Artenvielfalt und wir sind immer am Augen offen halten, ob wir nicht irgendwo einen schönen Vogel oder ein Tier entdecken. Bunte Sittiche und Papageien begleiten uns während der Fahrt und vereinzelt fliegt ein schneeweisser Sittich (Albino?) an uns vorbei. In den Gebüschen verschwinden kleine "Meerschweinchen"(?). So vergehen die Radlerstunden viel schneller. Leider ist die Strasse wieder mal von einigen toten Tieren gepflastert. Waren es in Patagonien vor allem Hasen, vor Mendoza Hunde, nach Mendoza Stinktiere, so sind es hier vor allem Füchse. Es ist immer wieder ein trauriges Bild ...

Cañon de Talampaya

Wieder können wir direkt beim Parkeingang zelten. Leider ohne Windschutz. Durch den heftigen Wind wird unser Zelt und unser Gepäck von neuem mit feinem, rotem Sand überzogen. Am Morgen jeweils, zusammen mit dem Kondenswasser, ist es dann eine schöne, schmierige rote Sauce !!! Auch dieser Park darf nur mit Guides besucht werden. Es wird fast eine Privatführung, denn nur zu Dritt besteigen wir den Bus. Dazu kommen noch der Guide uNL11-Talampaya_03nd der Fahrer. Los geht's in den "Cañon de Talampaya"! Es wird tatsächlich zu einem Höhepunkt unserer Reise. Mit dem kleinen Bus fahren wir durch eine gewaltige, fast 100m breite Schlucht, welche auf beiden Seiten von 100 bis 150 Meter, senkrecht hochragenden, tiefroten Felswänden begrenzt ist. Der Cañon ist mehrere Hundert Millionen Jahre alt. Wir bewundern Felsgravierungen von früheren Bewohnern dieses Cañons. Diese sind allerdings „nur" 1500 Jahre alt. NL11Talampaya_15Stammen also nicht von neanderthalerartigen Wesen. An diversen Orten halten wir an, um die gewaltigen Felsformationen , z.B. die Kathedrale ( sagt ja schon alles!) zu bewundern. Im Cañon sehen wir zahlreiche Tiere wie Füchse, Guanacos, Nandus und auch das grosse Rätsel um das känguruartige Tier lüftet sich: "Liebre mara" heisst es und stammt aus der Familie der Hasen. Also doch kein Känguru. Wir sind ja schliesslich nicht in Australien! Wieder haben wir strahlendes Wetter und geniessen die Stunden in dieser einmaligen, ja fantastischen Landschaft. Einmal mehr, können wir uns ohne grossen Energieaufwand fortbewegen. Zurück beim Parkeingang treffen wir auf Nina, NL11-Talampaya_04 NL11-Talampaya_06welche wir schon im Valle de la Luna angetroffen haben. Nina ist die deutsche Schreinerin die hier in Südamerika auf der Walz ist. Sie gehört einer" Zunft" an, die auch Frauen aufnimmt. Wer sich noch an Robert erinnern kann: Seiner „Zunft" (die mit den schwarzen Schlipsen) gehören nur Männer an. Zusammen mit ihrem englischen Kollegen Patrick, verbringen wir den Rest des Nachmittages und einen tollen Abend am Lagerfeuer.

Noch werden sich unsere Wege nicht trennen, denn alleine getrauen wir uns fast nicht weiter... Am nächsten Morgen verabreden wir uns deshalb im 60 km entfernten Villa Unión - wir natürlich mit dem Fahrrad, Nina und Patrick im bequemen Auto. INL11ElAngelito_09n Villa Union wollen wir gemeinsam einer ganz unheimlichen Geschichte auf den Grund gehen : Irgendwo auf dem städtischen Friedhof soll nämlich ein kleiner Junge mit Namen „Miguel el Angelito" (Miguel, das Engelchen) in einem Glassarg liegen. Vor 42 Jahren ist er einjährig gestorben und beerdigt worden. Doch nach sieben Jahren hat sich sein Grab nach einem Sturm geöffnet und siehe da, sein kleiner Körper sah aus, als hätte man ihn erst gestern beerdigt. Man konnte das Grabtrotz mehrmaligen Versuchen nicht wieder schliessen. So folgerte man, dass der kleine Miguel einfach nicht bedeckt sein möchte und legte ihn in einen gläsernen Kasten, wo er seither betrachtet werden kann und auch richtiggehend verehrt wird (s. Difunta Correa, Newsletter Nr. 10).

Puh, für unsere zarten Seelen ist das also eine ziemlich haarsträubende Story und bevor wir uns überhaupt auf den Weg machen, haben wir uns bei zahlreichen Einheimischen erkundigt, ob es nicht etwas daneben ist, wenn wir als Touristen dort auftauchen. NL11ElAngelito_10Uns wurde aber versichert, dass das wirklich kein Problem sei. Patrick nimmt Nina unduns mit seinem Auto mit und mit klopfendem Herzen machen wir uns auf dem besagten Friedhof auf die Suche nach dem „Grab" vom „el Angelito Milagroso". Werden wir es überhaupt entdecken? Nach einiger Zeit, wir werden immer etwas aufgeregter...Das muss es sein! Das einzige zweistöckige Gebäude auf diesem Friedhof. (Für die verschiedenen Familien wird eine Art Häuschen gebaut, in dem die Urnen deponiert sind). Im zweiten Stock türmen sich Spielwaren vor dem Fenster, die die Leute herbringen. Jeweils am Morgen herrscht dort immer grosse Unordnung, weil der kleine Miguel nachts damit spielt... Wer geht also als erster rein? Keiner von uns vier drängt sich vor. Dann aber stehen wir alle vor dem kleinen Glassarg, jedoch die Spannung löst sich nicht. Das Ganze ist einfach zu unheimlich. Klar, die Jahre haben dem kleinen Miguel jetzt doch etwas zugesetzt und er sieht nicht mehr ganz so frisch aus, aber wir sind überzeugt, ER HAT UNS ZUGEZWINKERT...

So unheimlich wie diese Story, so unheimlich kam uns auch der Ort Villa Unión vor. Zum Glück erst später wurde uns bewusst, dNL11CuestaMiranda_11ass hier vor erst vier Jahren eine Schweizer Radlerin Opfer eines grausamen Verbrechen wurde. Dies erklärte die komische Stimmung zusätzlich. Nur zu gern machen wir uns also am folgenden Morgen auf unsere nächste Etappe, auf der wir die „Cuesta de miranda" erobern wollen. Eine Passtrasse auf Schotter, welche uns auf 2042 m.ü.M. führt und von tiefroten Felswänden gesäumt ist. Bis Chilecito wären dies über 100 km. Weil wir aber einen heissen Tipp für einen wunderschönen Zeltplatz am Fluss bekommen haben, lassen wir es bei 75 km bleiben und nehmen sogar die Bachdurchquerung in Kauf. Wir überqueren den Pass und auf knapp 1700 m.ü.M. schlagen wir direkt am Rio Miranda unser Camp auf. Es ist geradezu idyllisch und schon lange ist es her, seit wir das letzte Mal an einem Fluss zelten konnten.

NL11RioMiranda_12Naja, am nächsten Morgen war dann die Bachdurchquerung etwas kühler und deshalb weniger angenehm. Schon bald kommen wir nach rasanter Fahrt, jetzt wieder auf Asphalt, in Chilecito an. Was ist eigentlich los??? Auch hier fühlen wir uns einfach nicht richtig wohl. Gleich bei der Ortseinfahrt werden wir von der Polizei nach unseren Personalien gefragt. Wir müssen die Pässe vorweisen und unsere Namen werden auf einen Fresszettel geschrieben. "Einfach so, für den Fall", ist die Auskunft. Irgendetwas stimmt hier nicht... Jedoch haben wir NL11Chilecito_13nicht herausgefunden, was. Im Nachhinein erfuhren wir auch, dass es nicht nur uns so erging. Riesig prangt eine weisse Christusstatue über der Stadt, ähnlich der von Rio de Janeiro. Hinterliess bei uns eher den Geschmack „scheinheilig". Aber vielleicht tun wir dem Ort unrecht und alles ist nur halb so schlimm. Aber irgendwie sind wir froh, in der nächsten Zeit ein paar Kilometer mehr auf dem Tacho zu haben und wieder in eine etwas sympathischere Gegend zu kommen. Diese finden wir in den folgenden Etappen auch ... denn wir sind wieder zurück in den Bergen.

"Si, si, todo asfalto", ist die Auskunft zweier Argentinier, als wir die nächsten Etappen planen. Obwohl unsre GPS Karte für einen Abschnitt nur einen Weg mit "solamente 4x4" anzeigt, glauben wir den Argentiniern nur mit etwas Misstrauen und entscheiden uns, nach Chilecito die Ruta 40 zu verlassen um ins ins Tal von Famatina einzubiegen. Die folgenden Etappen sind geprägt von ständigem bergauf und bergab - hinauf auf ca. 2000 m.ü.M. und wieder hinunter auf ca. 1000 m.ü.M. Es sind sanfte, aber lange Anstiege in herrlichen Hochtälern. Das einzige was uns zu schaffen macht, ist plötzliche die Hitze: Auf knapp 1800 m.ü.M. zeigt das Thermometer 31°C an!!! Sonnencreme wird zu einem der wichtigsten Utensilien. Gleich nach Tinogasta folgt dann der Abschnitt "solamente 4x4", wo wir den 1891 Meter hohen Pso. Zapata überqeren müssen. Irgendwie haben wir es ja geahnt oder insgeheim gewusst ... Nirgendswo ist Asphalt zu sehen,. Nur noch Sandpiste. Es hat uns wieder einmal gezeigt, dass man einem Argentinier nicht alles glauben darf. Sie meinen es wirklich nicht böse, doch Sie geben nie zu, wenn sie etwas nicht wissen. Oder sie wissen gar nicht, dass sie es nicht wissen??? Und wenn man doch einen Einheimischen fragen muss, so darf man nie fragen,:"Geht diese Strasse nach Salta?" sondern immer: "Welche Strasse geht nach Salta?". Es wird eine der härteren Etappen ... Im tiefen Sand vergraben sich unsere Vorderräder mehrmals, so dass wir absteigen und kurz schieben müssen. Anfangs geht es noch durch die Müllhalden Tinogastas. Der sandige Weg zeigt immer wieder Spuren von Glasscherben. So denken wir noch: Hoffentlich keinen Platten! Doch vergebens gehofft. Ziemlich bald hat das Vorderrad von Marions Rad keine Luft mehr. Der Weg wird zunehmend schlechter und schlängelt sich dann auf felsigem Untergrund ein schmales Tälchen hoch. Eigentlich ist es nur noch ein Gebirgsweg und in der Tat nur noch für Autos mit 4x4 befahrbar, wenn überhaupt. Mit dem Mountainbike hätte uns das Ganze ein Lächeln gekostet ... aber mit unsren Rädern und dem Gepäck...!!! Nach 3 1/4 Stunden haben wir den Pass erreicht und freuen uns auf die Abfahrt. Doch "gemeine" Gegensteigungen und wieder tiefer Sand lassen unsere Muskeln noch müder werden. Und doch hat uns diese Überquerung fasziniert - auf den ganzen fast 70 km haben wir kein Auto gesehen. Nur einen Gaucho auf seinem Pferd haben wir in dieser einsamen, fast unberührten Gegend angetroffen. Mit ihm zusammen haben wir bei einer Pause den wenigen Schatten, der uns ein kleiner Baum gespendet hat, geteilt.

Ziemlich müde erreichen wir Londres, wo wir in einem schönen Hostal gleich noch einen Ruhetag einlegen. Das Hostel finden wir nicht auf Anhieb ... denn die Strassen in Londres haben keinen Namen. Wir besuchen die 6 km entfernten Inka-Ruinen von "El Shincal" - natürlich mit dem Fahrrad.

Erholt nehmen wir den nächsten Pass in Angriff ... es ist unser bisher höchster Übergang (namenlos) auf 2322 m.ü.M. Und plötzlich regnet es und es ist nur noch 7°C!!! Seit dem 7. April 09 müssen wir zum ersten Mal wieder unsere Regenkleider tief aus unseren Taschen hervorkramen. Von der schönen Landschaft sehen wir leider nichts, dafür machen wir bei einer Pause eine nette Bekanntschaft mit einem dänischen Pärchen, welche mit ihrem Camper unterwegs sind. Nach dem Pass schlagen wir auf 2160 m.ü.M. unser bisher höchst gelegenes Camp, direkt an einem Fluss auf. Einen Tag später besuchen wir die 80 km entfernten Ruinen von Quilmes. Leider bekommen wir vor Ort nur ganz spärliche Informationen über dieses damalige Volk. Aber imposant sind die Ruinen, welche in einen Berghang hineingebaut wurden , allesamt. Überraschend treffen wir in den Ruinen wieder auf Lars und Jenni , das äusserst sympathische Pärchen aus Dänemark. Spontan entscheiden sie sich, mit uns bei den Ruinen zu übernachten. Am Abend laden sie uns zu einem vorzüglichen Abendessen mit einem feinen Malbec in ihrem Camper ein. Lars war Andi besonders sympathisch, da auch er Kaffee über alles liebt. Er glaubt, er trinkt sogar einen Tic mehr Zunge rausstrecken!

Wie entscheiden wir uns ... ?
Cafayate
erreichen wir einen Tag später (gestern). Obwohl wir uns immer noch auf über 1600 m.ü.M. befinden, flankieren grossflächigen Weinrebenkulturen unsere Route. Bereits sind wir in der Provinz Salta und somit noch knapp 190 km von der Stadt Salta entfernt. Das wäre in zwei Tagen zu schaffen, denn Salta liegt ca. 400 Meter tiefer als Cafayate auf 1200 m.ü. M. Wäre da nicht noch das Dorf Cachi und das Tal des Rio Calohaquies - wir müssten uns keine Gedanken über den Weiterweg machen. Doch Cachi und die Umgebung sollen einmalig schön sein. Schon zu Hause bei der Planung haben wir mit dieser Variante geliebäugelt. Wenn sie nur nicht so streng wäre ... eine 160 km lange und sehr schlechte Schotterstrasse führt hinauf auf das, auf ca. 2300 m.ü.M. gelegene Dorf. Auf dem Weg zurück nach Salta ist dann der über 3300 Meter hohe Pass Piedra del Molino zu überqueren. Für die ganze Tour müssen wir sicher mit einer Woche rechnen.

Für was wir uns morgen entscheiden werden ...??? Dies ist mit Sicherheit im nächsten Newsletter zu lesen ...

Hasta luego en Salta

LOS MARANDIS
Marion & Andi